Die Geschichte des JAZZ in Hamburg
978-3-928143-37-0

And Our Hearts In New Orleans.
Die Geschichte des HOT JAZZ
in Hamburg ab 1950

50 Jahre Swinging Hamburg: Auszüge Teil 2

Hamburg, September 1999. Was wäre eine sogenannte 'Szene' ohne dieses Publikum, ohne diese Begegnungen? Dank an alle Jazz-Freunde, das Erfolgsgeheimnis jeder Band: Fröhliche Fans sind wie Reisig, an dem sich unser Feuer immer wieder neu entzündet! Vor 50 Jahren wurde also der Grundstein für diese in Deutschland, wenn nicht in ganz Europa einmalige Jazz-Szenerie gelegt. Ganz unbewußt und ungeplant wurde etwas in Gang gesetzt, was sich bis heute in seiner Vielseitigkeit erhalten hat. Eine lebendige, froh swingende Jazzszene. Beteiligt daran sind immer noch eine unglaubliche Anzahl von Bands und Musiker, die dieser Musik nun teilweise schon über 40 Jahre treu ergeben sind. Jahrzehnte voller Liebe und Hingabe, einmal Lust, dann wieder Frust, Freude und Schmerz, aber immer die Gewißheit im Herzen, dass es eine Musik gibt, die etwas ausdrücken kann, die Menschlichkeit vermittelt und Tiefgang hat.

Und wenn wir schon Vergangenheitsbewältigung betreiben, dürfen wir einen wichtigen Aspekt nicht ausser Acht lassen! ABBI HÜBNER, einer der bekanntesten Musiker dieser Stadt, hat sich darüber treffliche Gedanken gemacht: "Was hatten die Musiker, aus denen sich diese Bands zusammensetzten, eigentlich vorher gespielt? Diese Frage führt zu einem Aspekt, der in meinen Augen zu den schönsten und bewegendsten Erscheinungen Deutscher Jazzgeschichte gehört, denn: diese Musiker waren vorher alles andere, nur keine Musiker gewesen! Die meisten von denen, die sich plötzlich mit Inbrunst und Hingabe an Louis Armstrong, King Oliver, Johnny Dodds, Sidney Bechet, Kid Ory und den anderen Großen der Jazzmusik orientierten und ihnen nacheiferten, hatten vorher noch nie ein Musikinstrument in der Hand gehabt! Die Musik schuf sich ihre Interpreten. Sie wirkte so hinreißend, ansteckend und faszinierend, dass hunderte von jungen Menschen nicht nur zuhören, sondern auch selbst gestalten wollten. Sie erweckte der Wunsch, das Verlangen, selbst zu formen, sich auszudrücken, zu musizieren; ein Verlangen, das sich bei vielen von uns im Verlaufe der Zeit dauerhaft zu einem elementaren Lebensbedürfnis steigerte."

An anderer Stelle ein weiterer wichtiger Aspekt: "Nach einer Zeit der Unterdrückung, war uns die Jazzmusik Ausdruck eines neuen, freiheitlichen, ja, rebellischen Lebensgefühls mit der Hoffnung, widerstehen zu können, Proklamation einer neuen Menschlichkeit, Offenbarung mit der Möglichkeit zu friedlicher Kommunikation - im Gegensatz zu den schaurigen Märschen, mit denen ein paar Jahre zuvor Hunderttausende brüllend in den Untergang gezogen waren, um das Versprechen einzulösen, zu marschieren, bis alles in Scherben fallen würde. Die Musik war Ausdruck einer langersehnten Freiheit, befriedigte ein angeborenes Gestaltungs- und Formbedürfnis, beendete die Suche nach der verlorenen Zeit und half uns, unsere Identität zu finden." Menschen, die sich mit einem Dasein in der Komparserie, im Schatten der Kulissen bescheiden müssen, da alle großen abendfüllenden Rollen auf der Bühne des Jazz längst vergeben sind, deren Begeisterung, deren bedingungslosen Einsatz, deren nie erlahmenden Bemühungen es aber zu danken ist, dass diese Musik bis auf den heutigen Tag bei uns lebendig geblieben ist und Hamburg mit Recht als 'Freie und Jazzerstadt', 'New Orleans an der Elbe', als 'Swinging City' bezeichnet wird.

In all den Jahren haben diese Jazzmusiker gründlich mit dazu beigetragen, das Klischee des muffigen, ungeselligen Hanseaten zu beseitigen (richtig war es freilich noch nie). Ihr frischer Wind hat die deutsche Musiklandschaft verändert und das (unhanseatische) Schlagwort enstehen lassen, Hamburg sei 'in'. Deutlich mußte man zur Kenntnis nehmen, dass Unterhaltung aus Hamburg mehr war und ist als 'Hummel - Hummel', Ohnsorg Theater, Striptease und Shanties. Diese Musik, häufig belächelt, viele Male tot gesagt und von den Medien in den letzten Jahren sehr vernachlässigt, hat sich aller Unkenrufe zum Trotz bis auf den heutigen Tag in den Herzen dieser Menschen behaupten können. Immer wieder vorangetrieben, mit frischen Impulsen und neuen Akzenten, ist der traditionelle Jazz in all seinen Varianten in dieser Stadt bis heute lebendig geblieben. Wir alle wollen uns weiter darauf konzentrieren, diese Musik für seine Freunde bis in das Jahr 2000 und weiter zu tragen! Hoffen wir alle gemeinsam, dass es uns auch künftig gelingt, die Begeisterung auf dem Siedepunkt zu halten!

Schallplattenspieler im Koffer

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